Die Kirchenstühle

Die Kirchenstühle, der Kirchenstand, Gitterstand und Kirchenstuhl, dies waren früher die Begriffe bzw. die Schreibweise in den Kirchenrats- Protokollen für die Sitzgelegenheit in der Klosterkirche im 17. bis 19. Jahrhundert.

Heutige Senioren können sich nur an Sitzbänke erinnern, die mit jeweiligen Namensschildchen ausgestattet waren. Unterschiede muss es aber gegeben haben. Innerhalb einer Jahresrechnung kann man von Kirchenstand, Gitterstand und Kirchenstuhl lesen.

Schon 1730 in der Feder-Chronik liest man:

Habe aus den Mitteln der Gemeinde eine neue Orgel beschafft, welche 200 Gulden kostete und von lauter Kirchenstuhl-Geldern bezahlt wurde.

Demnach hatte man schon vor dieser Zeit die Kirchensitzplätze zu Geld gemacht, was eine der wenigen kirchlichen Einnahmen zu damaliger Zeit war.

1779 hatte man scheinbar neu geworben für die Kirchenplatz-Ordnung und gleich 51 Kirchenstände neu vergeben. 15 Kreuzer für eine Überschreibung, 30 Kreuzer für einen neuen käuflich erworbenen. Der Amtsgegenschreiber dahier bekam einen Gitterstand für einen Gulden und 36 Kreuzer.

Auch Bäckermeister Geer erstand im Jahr 1788 einen Gitterstand. Einen besonderen Gitterstand-Besitzer gab es im Jahr 1795 Gg. Konrad Hasselbacher, Drechsler von Beruf. Er leistete sich vier leerstehende Kirchenstuhl-Plätze für 24 Kreuzer (scheinbar ein Sonderpreis) und baute sich auf eigene Kosten Gitterstäbe davor, er sorgte für die ganze Familie. (Solche Gitterstände kann man heute noch in der Kirche in Gerhardshofen sehen.)

75 Jahre später, anno 1870, waren die Gitter vor den Stühlen scheinbar keine Augenweide mehr, die Kirchenräte und sicher auch im Sinne des damaligen Pfarrers, beschlossen in ihrer Ratsitzung am 16.01.1870: Die hässlichen Gitter bei den Kirchenstühlen sollen herausgenommen werden.

Sicher waren sie abgenützt, nach einem Dreivierteljahrhundert, trotzdem wollte man sie noch zu barer Münze machen. Kirchenrats- Obmann Volland wurde beauftragt, die Gitter noch gut zu verkaufen.

Um 1890 müssen die Sitzmöbel ganz marode gewesen sein, was Pfr. Eppelein, Seelsorger in Münchsteinach von 1889-1893, bewog, ein Gesuch um die Bestreitung der Kosten neuer Kirchenstühle aus dem Disposionsfond für protest. Kultur zu stellen. Er schreibt:

Münchsteinach besitzt eine alte ehrwürdige Klosterkirche in Kreuzform, viel ist in dieser Kirche vernachlässigt worden und der Zahn der Zeit hat nur zu reichlich seine Spuren hinterlassen. Aber nichts berührt Pfarrer und Gemeinde hierorts unangenehmer als die Bänke und Stühle, welche das Gotteshaus verunzieren.

Auf den obersten Emporen befinden sich einfache Holzböcke, ohne jegliche Lehne. Dieselben sind an den Enden mit eisernen Klammern an der Emporebrüstung befestigt, so dass man über den Holzbock hin und her steigen muss. Auf der unteren Empore stehts nicht viel besser. Auch hier ersetzen Holzböcke zur Hälfte die Sitze, die andere Häl f te bes teht aus sogenannten abgeschlossenen Kirchenstühlen.

Um den durch Letztere recht unpraktisch verteilten Raum doch noch möglichst auszunutzen, sind an und zwischen den Stühlen noch Klappstühle angebracht. Es besteht die Gefahr, rücklings hinunter zu fallen. (Neulinge wissen von ihren Schrecken zu erzählen) Dieser Zustand ist einem Gotteshaus unwürdig, Abhilfe ist dringend nötig.

Soweit Pfr. Eppeleins

Das Mithilfe-Gesuch wurde erhört. Das Landbauamt gab grünes Licht, die neuen Sitzmöbel anzuschaffen. Zimmermeister Windsheimer aus Diespec k und Maurermeister Hofmann aus Gutenstetten wurden als ausführende Handwerker empfohlen.

Der Kirchenrat konnte schon zu Weihnachten 1892 103 Kirchensitze den Gläubigen neu zu ordnen und namentlich vergeben. Sie verteilten sich am Altar, im Mittelschiff, im südlichen und nördlichen Querschiff, auf der Orgelempore, auf der südlichen und auf der nördlichen Empore.

Im Mittelschiff wurden die ersten 8 Plätze den Pfarr-, Beamten- und Lehrerfamilien zugesprochen. Pro Sitz war eine Gebühr von 1 Mark und 31 Pfennigen fällig. Eine einmalige Bezahlung, bis der Besitzer verstarb oder verzichtete.

Auch in den nächsten Jahren haben die Kirchenstühle oder Bänke immer wieder auf den Sitzungsprogrammen der Kirchenräte gestanden. Im Jahr 1900 haben sich um den Männerstuhl auf der südlichen Empore 5 Bewerber gemeldet. 1902 wurden schon wieder 11 Stühle neu vergeben. 1905 beklagte sich Gemeindeglied Joh. Unger über seinen Platz, der sich nicht zum Sitzen eignet (Was hat da Zimmermeister Windsheimer wohl installiert?).

Er bat um Erlaubnis einen neuen Stuhl an die Stelle des alten anbringen zu dürfen. Die Kirchenväter waren erstaunt, sie möchten den Sitzplatz erst in Augenschein nehmen.

1911 in der Dezember-Sitzung wird festgestellt, dass einzelne Stühle von Frauen und Männern besetzt sind, welche die Gebühren dafür nicht bezahlt haben. Die Kirchenvorstände möchten hier tätig werden. Bis 1937 liest man noch von Kirchenstuhl- Vergaben. In einem Eintrag 1939 wird festgehalten, der Stuhl von Frau Julia S. bleibt auch nach ihrem Wegzug erhalten. Scheinbar eine Kirchgängerin, die auch bei künftigen Heimatbesuchen ihren Platz nach wie vor einnehmen wollte.

Noch einige Beispiele über Kirchenstuhl- Vergabe Ende des 18. Jahrhunderts:

1786 einen Gulden bezahlt Müllermeister Peter Dingfeder dahier für einen käufl. erhaltenen Kirchenstand (großzügig). 1792 Joh. Gg. Hofmann, Wirt, Bierbrauer und Ziegler dahier, bez. 15 Kreuzer für zwei bisher leer gestandene Kirchenstände. 15 Kreuzer von Joh. Gg. Unger für den von s e i n e m v e r s t o r b e n e n V a t e r überschriebenen Kirchenstand. 15 Kreuzer Überschreibungsgeld von Joh. Andreas Wagner dahier, für seinen ererbten Kirchenstand vom verstorbenen Vater Joh. Andreas Wagner.

Außerdem gab es im gleichen Jahr noch 16 Zahler die 5 Gulden und 15 Kreuzer in die Kasse brachten. Im ganzen Jahrhundert wurden fleißig Kirchenstühle geordert, die Gemeindeglieder halfen die Kirchenkasse zu füllen, sie konnte sogar Kredite gewähren zu 4 – 5 %.

Zeitzeugen erinnern sich:

Zwei Mädchen in der Sonntagskirche wollten auch einmal auf noch freie vordere Plätze mit Namenschildchen.

In der Hoffnung die Platzbesitzerin kommt heut nicht mehr. Pech gehabt, sie kam noch etwas verspätet. Die Mädchen mussten wieder auf rüc kwär t ige Plät ze zurückweichen.

Die Mutter einer heutigen Seniorin, als junge Frau ins Dorf gekommen, mit den k i r c h l i c h e n Ge pf l og en h e i t e n in Münchsteinach noch nicht vertraut, setzte sich auch einmal in eine vordere Kirchenbank mit Namenschild. Ebenso in der Annahme die Besitzerin kommt nicht mehr. Sie wurde auch höflich aufgeklärt, wer hier die Frau ist.

Die junge Mutter hatte ab sofort, zeitlebens ihren Platz auf der hintersten Bank eingenommen.

Heute ist das alles Geschichte. Platzenge gibt es nur noch bei Großereignissen. Eine Kirchengröße wie vor 1730 würde genügen

Konrad Zeilinger