Die Sorgen und Nöte der Pfarrer und Kirchenräte im 19. Jahrhundert

Wie es früher war, vor hundert und zweihundert Jahren, an was hat man gedacht, als es jährlich Ende August in Münchsteinach auf die Kirchweih zuging. Die jungen Leute freuten sich auf das einzige dörfliche Ereignis und das Tanzvergnügen. Die Gemeindeväter hatten andere Sorgen.

Nach einer Verordnung vom 7. Oktober 1850 zur Bildung von Kirchenvorständen in den Kirchengemeinden wurden diese in Münchsteinach am 4. Dezember gewählt und am 15. Dezember in der Kirche vorgestellt. Eine monatliche Sitzung schreibt Paragraph Nr. 21 vor.

Die erste Sitzung fand sogleich am 1. Januar 1851 im Pfarrhaus statt. Künftige Zusammenkünfte sollen vorläufig nach der Nachmittagskirche eines jeden zweiten Sonntags im Monat stattfinden, ebenfalls im Pfarrhause.

Kirchenvorstand Rupprecht will gleich einen Missstand beseitigt wissen und beantragt, dass die Leichen von Abtsgreuth und Mittelsteinach künftig auf dem freien Platz vor dem Pfarrhause aufgebahrt und von dort in den Gottesacker gebracht werden. Die bisherige Variante, am Wirthaus und noch dazu der schmutzige Weg dort, wären sehr ungeeignet. Der Platz vor dem 1842 neu erbauten Pfarrhaus war sicher einladender.

Die damaligen Namen der erst gewählten Kirchenräte in Münchsteinach: Pfr. Strehl, Wagner, Rupprecht, Engelhard, Holzberger und Rost.

Die nächsten monatlichen Beratungen der Kirchenräte wollten Verschiedenes und Eingefahrenes besser machen oder abschaffen.

In der Sitzung vom 9. März 1851 wird der Totengräber darauf aufmerksam gemacht, dass er beim Eingraben der Verstorbenen, die Erde vorerst am unteren Teil zu bringen, anstatt den oberen zu überschütten, weil die Angehörigen vorwiegend dort stehen. Außerdem wir ihm nahe gelegt, dass er am Grabe und bei Leichenbegleitungen jeweils einen Hut als Kopfbedeckung zu tragen habe.

Über Schreiner Völkel wird Klage erhoben, dass er den Sarg in das Totenhaus öfter verspätet bringt, wodurch das Leichenbegängnis nicht rechtzeitig stattfinden kann. Es möchten bei künftigen, auswärtigen Leichenbegängnissen nur so viele Kinder vom Schullehrer zum Gesang verwendet werden, als für die dortige Feier nötig sind, schreibt die Gemeindeverwaltung unter dem 29. März 1851.

Das Barfußlaufen im Sommer war zu jener Zeit bei den Kindern wie bei Erwachsenen Normalität, das Schuhwerk musste geschont werden. Trotzdem moniert der Kirchenvorstand im August 1851, dass die Schuljugend wieder, wie schon in Vorjahren, ohne Fußbekleidung in die Kirche kommt. Es läuft der Würde der Kirche zuwider und er hält es nicht für schicklich, wenn die Läutbuben vor der Gemeinde barfuß in den Läutturm gehen.

Auch fern der Kirche, bei der Feldarbeit muss es damals warm gewesen sein, so das Protokoll vom 7. September 1851. Der Pfarrer kommt nicht umhin, seine Bemerkung loszuwerden, die er zu seinem Bedauern vor kurzem in der hiesigen Gemeindeflur gemacht hat. Um sich bei der Feldarbeit der Sommerhitze einigermaßen zu erwehren, zogen einige erwachsene Mannsbilder ihr Hemd aus, zum Ärger Verschmähter. Diese Erscheinung verlängert das Schamgefühl und gefährdet die Sittlichkeit, so der Konsens.

So muss schon aus diesem Grunde der Kirchenrat mit dem Pfarrer als Wächter der Sittlichkeit als ihre unerlässliche Pflicht erachten, dass diese ärgerliche, als Gefahr drohende Erscheinung in ihrem ersten Keime erstickt wird. Die Kirchenväter werden ihr Streben in die Waagschale werfen, soweit es möglich ist, dass das Übel so schnell wieder verschwindet, wie es gekommen ist.

Schlechter Besuch der sonntäglichen Christenlehre und auch viele Werktagsschüler sind Säumige.

Am meisten Schuld gibt der Pfarrer der häuslichen Kinderzucht und ist der Ansicht, dass namentlich die Mütter, welche z. T. selbst unfleißige Kirchengängerinnen sind, ihre Kinder nicht wie sie sollten zur Kirche anhalten. So der Tenor aus der Sitzung vom 12. Oktober 1851.

Vier Wochen später, der Christenlehrebesuch ist nicht besser geworden, der Geistliche appelliert noch einmal mit scharfen Worten an die Gemeinde. Der Kirchenvorstand bekommt eine Versäumnisliste vom Lehrer.

Im Dezember 1851 wird die marode Kirchhofmauer dem Staat als Besitzer zur Ausbesserung vorgetragen. Die kgl. Regierung wehrt sich, die Sorge des Friedhofs wäre Sache der eigenen Gemeinde. Die Gemeinde kontert ihrerseits, durch ein aufgefundenes Aktenstück sei vom Staat anno 1772 sogar die Erweiterung des Kirchhofs aus staatlichen Mitteln bestritten worden.

Ein Jahr später im Dezember 1852 heißt es: Keine Übernahmekosten für die Kirchhofmauer vom Staat. Die Mauer hat durch nahe stehende Obstbäume gelitten, rechtzeitige Maßnahmen von Seiten der Kirchengemeinde hätte manches verhütet.

Die Mittelsteinacher Schuljugend wird künftig ihren Konfirmandenunterricht in Obersteinbach erhalten, ist unter 1.2.1852 geschrieben. Beim Kirchenrat kommen Bedenken auf, ob es nicht im Laufe der Zeit zur völligen Trennung führt, es sollte so bleiben wie es ist.

Heute wissen wir, dass es zur Trennung geführt hat. Allerdings erst 1877 ist vermerkt, dass Mittelsteinach ganz nach Obersteinbach geht, ihr Recht auf Kirchenstühle ist damit erloschen, wird unter 27.05.1877 geschrieben.

Federvieh und sogar Schweine haben sich 1853 im Friedhof getummelt. In der Sitzung am 10.4. haben sich die Kirchenväter Gedanken gemacht, wie kann verhütet werden, dass Gänse und Schweine auf den Friedhof gelangen, ja gleichsam wie auf die Weide gebracht werden. Man stelle sich vor, im heutigen Friedhof „Schweine“, die nach ihrer Saumanier dort für Ordnung sorgen. Gänse als Rasenmäher, noch vorstellbar, wenn sie nur das Gras im Friedhofsareal fressen würden.

Glocken und Uhrseile haben auch öfter Sorgenfalten in den Gesichtern der Kirchenräte entstehen lassen. Im Sommer 1852 müssen drei neue Glockenseile angeschafft werden, ein altes möchte man für eventuelle Ausbesserung behalten, wurde aber vom kgl. Pfarramt abgelehnt.

Im Dezember ist das Uhrseil gerissen, ein neues muss beschafft werden, damit das einzige Zeitmessgerät am Kirchturm, wieder für richtige Schulordnung sorgt, ist die Meinung der Räte.

Seile für Glocken oder Uhr waren zu dieser Zeit sicher nicht von heute auf morgen zu besorgen, die Uhr wird wochenlang auf ihrem Zifferblatt nichts angezeigt haben.

Im Sommer 1855 etabliert sich unter dem neuen Pfarrer Feuerlein auch ein neu gewählter Kirchenrat. Es sind: Georg Wagner, Peter Mechs, Konrad Stubner, Georg Friedrich Mechs, Michael Freischlag und Paul Wagner.

Die neugewählten Kirchenräte unter Pfr. Feuerlein befassen sich in den folgenden Jahren hauptsächlich mit der Vergabe von Kirchenstühlen und kirchlicher Ordnung. Die Abstgreuter Kirchenvorstände haben ihre Plätze auf der oberer Empore. Diese benutzen hauptsächlich die jungen männlichen Personen, den älteren ist der Vortritt festgeschrieben.

1857, im Januar, wird ein neues Gesangbuch eingeführt. Sonst geht es in den Sitzungen vorwiegend um die Vergabe von Kirchenstühlen. Diese Sitzeinrichtungen haben schon in den Jahren um 1700 Geld eingebracht (so Pfr. Feder 1730) und wurden bis ins 20. Jahrhundert beibehalten (Dieses Thema füllt aber selbst einmal die Chronikseiten, in späterer Zeit.).

Zurück zu den aktuellen Sitzungen: Der Totengräber wirft bei Beerdigungen die Erde zu früh ins Grab, das Pfarramt will entsprechende Anweisung geben, wird unter 16.1.1870 bemängelt. Die Friedhof- und Gräberordnung lässt auch die Sorgenfalten beim Kirchenrat sichtbar werden.

Auf zunehmende Entchristlichung in der Gemeinde wird in der Sitzung vom 17.1.1875 hingewiesen. Die wachsende Rohheit und Unbotmäßigkeit der Jugend, der Dienstboten, das Nachtlärmen und sonstiger Unfug, die Räte sind gefordert. Noch' ist keine Verletzung der kirchlichen Ordnung geschehen, ein Brautpaar von Neuebersbach gibt aber zu Befürchtungen Anlass. (so der Tenor)

In der Zusammenkunft vom 24.12.1876 haben sich die Räte zum Jahresabschluss Gottesdienst Gedanken gemacht. Dieser möchte wieder am Abend abgehalten werden, ist unter Pfr. Sattler und Schmidt abgekommen (jelzt Pfr. Pächtner). Doch erst nach 13 Jahren ist zum Jahresende 1889 ein Silvester-Gottesdienst mit Beleuchtung, abends 5 Uhr unter Pfarrer Eppelein, eingetragen. Die Beleuchtung, die Kerzen, werden die Verzögerung veranlasst haben, die Kerzen waren zu damaliger Zeit sicher eine größere Anschaffung als heute.

Ob nicht das übliche Orgelspiel mit Liedvortrag bei Taufen von in Unehren gezeugten Kindern weggelassen werden kann, meint der Pfarrer unter 4.2.1877. Damit sollen die ehelichen höher bewertet, die unehelichen geschwächt werden. Der Kirchenrat gab seine Zustimmung.

In ihrer nächsten Sitzung am 27.12. wollten die Räte aber nicht so hart vorgehen, sie ließen auch die unehelichen an den üblichen Gepflogenheiten teilhaben.

Auf die Unsitte des Kirchenschlafes wird vom Pfarrer in Sitzung vom 18.8.1878 hingewiesen. Die Kirchenvorstände möchten mit gutem Beispiel voran gehen. Demnach waren auch sie bei den Angesprochenen. Eine Lanze für die damaligen Kirchenschläfer. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren die Landwirte mit Kuhhaltung noch dominierend, mussten die ganze Woche und auch am Sonntag früh aus den Federn, unausgeschlafen in die Kirche, in Ruhe gekommen, der Schlaf bekam die Oberhand. Wie in heutiger Zeit, nach der Tagesmüh, vor dem Fernseher.

Weitere Themen in gleicher Sitzung: Auch ein Auge auf die Schul- und Dorfjugend beim hiesigen Kirchweihfest zu werfen, wäre angebracht. Bei Trauungen sind Kinderraufereihen um das ausgeworfene Geld vom Bräutigam (der Stärkere gewinnt) nicht gerade erbaulich.

In der Sitzung vom 18.5.1884 wird ein Erlass des Oberministeriums vorgelesen, es geht um die Feuerbestattung, die jetzt in unserer Zeit Mode geworden ist. Die Kirche zeigt ihren Widerwillen, gegen die heidnische Handlung, wie geschrieben steht.

Okt.1885 hier möchte man den Gebrauch des neuen Kronenleuchters auf die hohen Feste beschränken. Er verbrachte inzwischen 135 Jahre in der Klosterkirche. Im lnventarium von 1877 wird er das erste Mal erwähnt, mit 20 Armen, vergoldet, nebst rotem Seil. Wie er in die Kirche kam, ob Ankauf, oder durch eine wohlwollende Gabe, wurde noch nicht herausgefunden.

Im Sommer 1889 in der Sitzung vom 25.8. ist Pfr. Brügel der Vorsitzende im Kirchenrat. Ihn störte schon mehrfach, dass Schmied Platzöder den sonntäglichen Gottesdienst durch Schmiedearbeiten stört, seinen Amboss klingen lässt. Die Kirchenvorstände möchten ihren Einfluss geltend machen, dies nicht all sonntäglich werden zu lassen. Im August / September ist die Saatfurche zu pflügen, die Bauern wollten am Montag ihre scharfen Pflugschare wieder an ihre Pflüge anschrauben, so geschehen, muss dem Handwerker Platzöder, etwas Nachsicht zuteil werden.

Unzuverlässige Läutbuben sind beim Pfarrer Müller ein Thema in der Sitzung am 10.10.1880. Die Verwaltung soll ihren Einfluss geltend machen, das rechtzeitige Einstellen der Läutbuben zu gewährleisten. Cantor Beiher regt an, am Sonntag die Sonntagsschüler eventuell dazu verwenden zu können. Außerdem regt Pfr. Müller an, dass bei Nachmittags-Gottesdiensten die Sonnenstrahlen, die Kanzel dermaßen beleuchten, was störend ist. Ein Vorhang am Fenster könnte Abhilfe schaffen.

Am 4. Advent haben zwei Burschen während des Christenlehr - Gottesdienstes geraucht. Dies wurde vom Landgericht mit 21 Tagen Haft und dem Tragen der Kosten bestraft.

Scheinbar gab es mehrere Selbstmörder im Jahr. Die Kirchenoberen müssen sich darüber aufhalten, wie man sich da bei Beerdigungen verhält. Bei Zurechnungsfähigen und Unzurechnungsfähigen sollte ein Unterschied sein. Fortsetzung folgt

In der Sitzung vom 4.5.1890 wird bemängelt, dass werktags Schulpflichtige noch lange nach dem Gebetsläuten, bis weit in die Nacht im Dorf herumschwärmen. Auch die Häufung der unehelichen Kinder ist ein Thema, der Pfarrer schlägt vor, die gefallenen (wie er sie nannte) in irgendeiner Weise in Zucht zu nehmen.

Die Kirchenvertreter sind einstimmig gleicher Meinung, den Krebsschaden (wie sie sich ausdrückten) in der Gemeinde entschieden zu Leibe zu rücken und die Schamhaftigkeit der Kinder schon in der Jugend bei den Eltern anzumahnen.

Fünf Jahre später sind die gleichen Sorgen noch größer geworden. Die unehelichen Kinder haben in der Gemeinde entschieden zugenommen, es wird darauf hingewiesen, die Schwangeren sind meistens bis vor wenigen Wochen vor ihrer Niederkunft in auswärtigen Diensten und werden dann ins Elternhaus zurückgeschickt.

Umgekehrt wurden die Kirchenräte angesprochen , dafür Sorge zu tragen, dass ledige, hier nicht heimat berechti gte Mägde, die einer Entbindungentgegen sehen, rechtzeitig aus der Gemeinde auszuweisen sind, damit die in Unehren Erzeugten im Dorf nicht noch vermehrt werden.

Auch 30 Jahre früher ist zu lesen, dass sich Pfarrer und Kirchenräte den Kopf zerbrechen, ob nicht künftig bei Taufen das Orgelspiel und der Liedgesang bei unehelichen Kindern weggelassen werden kann. Es sollte schon ein Unterschied zwischen in>

Ehren und Unehren Gezeugter sein, so der Konsens. Noch früher anno 1854 hat sich ein Pfarrverweser auch schon mit der Materie befasst und kam zu einer Verhältniszahl von ledig und ehelich Geborenen 118 : 285 Kindern, in einen ungenannten Zeitraum. Das heißt, zu 40 % haben nicht verheiratete Mägde und Töchter die Geburtenzahl hochgehalten.

Auch wenn der Kindersegen groß war zu dieser Zeit, die Mütter, eheliche oder nicht Verheiratete, haben wahrscheinlich immer die gleichen Sorgen vor ihrer Niederkunft. Es gab Totgeburten, war der Täufling schwach, gab es eine Nottaufe, damit falls das Kind stirbt nicht namenlos beerdigt werden musste. Oft starben sie nach wenigen Stunden, Tagen oder Wochen. Ein extremer Taufeintrag anno 1878 vom Pfarrer vermerkt:

12tes Kind, 4tes lebend. Eine Familie mit sehr wenig Kinderglück.

In der Kirchengemeinde Münchsteinach wurden in den Jahren 1875 - 1900 durchschnittlich jährlich 27 Kinder geboren, davon 10 % unmittelbar verstorben.

Ab 1890 haben die neuen Erdenbürger eine bessere Welt vorgefunden, die Sterblichkeit ließ nach. Nach den Aufzeichnungen nur fünf verstorbene Kinder in 10 Jahren. Dafür im gleichen Zeitraum waren die ledigen Mägde und Töchter aktiv und hatten mit 48 Kindern zum Nachwuchs beigetragen. Wieder ein extremer Taufeintrag von 1892:

Bei Niederkunft einer ledigen Dienstmagd, ihr 5tes Kind, wird vermerkt.

So gesehen kann man in all den Jahren den moralischen Zeigefinger der Seelsorger und Kirchenräte nachvollziehen. Heute im 21. Jahrhundert ist das alles Geschichte. Die Pharmazie sorgt für das Gegenteil, die Gesellschaft könnte einige Geburtsjahre aus damaliger Zeit gut gebrauchen.

Eine Lanze für die unehelichen Kinder bzw. deren Mütter und Väter muss trotzdem gebrochen werden.

Einfach heiraten durften die Paare nicht zu dieser Zeit. Sie mussten Besitz nachweisen, mussten heimatberechtigt sein, konnten sie das nicht nachweisen, wurde eine Heirat von Seite der Gemeinde verwehrt.

Beispiele in Gemeindeprotokollen zeigen, dass schon mitunter Durchsetzungskraft der Betroffenen nötig war. Ein Taglöhner hier in Münchsteinach (anno 1841/43) musste seine Heirat sogar über das kgl. Amtsgericht in Neustadt erstreiten, weil die Gemeindeväter an seiner Fähigkeit als Ernährer seiner Familie zweifelten.

Die jungen Leute waren in der Warteschleife, bis ihnen der elterliche Besitz überschrieben war oder Arbeitnehmer einen festen Arbeitsplatz nachweisen konnten.

Oft waren die jungen Paare schon in die Jahre gekommen, der Kindersegen wollte nicht so lange warten, die nichtehelichen Kinder vermehrten sich.

Ich selbst bin ein Zeitzeuge dieser Materie. Mein großer Bruder und ich haben auch nicht gewartet bis unsere Eltern Besitz hatten und verheiratet waren. Gedanken, später Helfer im Haus, Hof und Landwirtschaft zu haben, dürften eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben und waren zu dieser Zeit, allgemein, eine feste Ergänzung der betrieblichen Arbeitskräfte.

Kinderarbeit war früher normal. Selbst die Schulferien haben sich danach orientiert, wie man in Gemeindeprotokollen nachlesen kann.

Auch die Münchsteinacher Kirchenräte warfen 1913 die Frage auf, ob nicht die Kinder beim Hopfenpflücken sittlichen Schaden nehmen. Sie nehmen keinen, beschloss die Runde.

Zurück zu den Ratsprotokollen:

Noch einige Male 1904 und 1907 war unehelicher Nachwuchs Thema bei den Ratssitzungen. Immer waren die Mägde die Angesprochenen, die Nichtheimatberechtigten in der Gemeinde. Sie sollten halt vor ihrer Niederkunft das Dorf verlassen.

Von diesen Sorgen kann man in den nächsten Jahrzehnten nichts mehr lesen. Der erste Weltkrieg 1914/18 dürfte zu einem Teil dazu beigetragen haben. Ein Vergleich aus den Jahren 1875 – 1900 27 Kinder jährlich, im gleichen Zeitraum 100 Jahre später 1975 – 2000 nur noch 12,6 Geborene, hier in der Münchsteinacher Kirchengemeinde.

Jetzt im 21. Jahrhundert wird eine junge Frau schon zum Dorfereignis, falls sich endlich Familien-Nachwuchs anmeldet. Andere meinen, Kinder„kosten“ können wir uns nicht leisten. Die Zuständigen im Berliner- Regierungsviertel streiten sich darüber, ob die Kinder in der KITA oder bei ihrer Mutter besser aufgehoben sind.

Falls die wenigen in heutiger Zeit Geborenen später einmal nachlesen sollten, wie es in ihrer Kinderzeit bestellt war, ob sie vielleicht nicht lieber 100 Jahre früher gelebt hätten, bei noch einigen Geschwistern innerhalb der Familie?